Das Testament ‘Abdu’l-Bahás ist einer der zentralen Texte für die Entstehungsgeschichte, Entwicklung und das Verständnis der Bahá’í-Gemeinde. Gerald Keil, Sprachwissenschaftler und Spezialist für Computerlinguistik, untersucht diesen Text erstmals mit sprachwissenschaftlichen Methoden. Genauer: mit der Methodik der Textanalyse, da diese „sich am strengsten am Text und am wenigsten an gängigen, meist tief verwurzelten Traditionen orientiert“ – ein notwendiges Wagnis, werden doch gerade fundierende, gemeindekonstituierende Texte unausweichlich überlagert von theologischen Deutungen, Traditionen und Festlegungen. Keil kommt bei seiner Untersuchung zu überraschenden Ergebnissen, die in wesentlichen Fragen der bisherigen Rezeptionsgeschichte widersprechen. Sein besonderes Interesse gilt den Gemeindeinstitutionen und der ihnen vom Text zugesprochenen Autorität.
Keil versteht seine Analyse als Beitrag zu einem offenen, andauernden Diskurs: „Die akribischen Begründungen, die die Analyse auf Schritt und Tritt begleiten, sind nicht da, um alternative Betrachtungen im Voraus abzufangen. Ganz im Gegenteil: Nur durch vollständige Offenlegung der Gedanken, die hinter solchen exegetischen Übungen stecken, ist es überhaupt möglich, unterschiedliche Sichtweisen strukturiert zu vergleichen.“