arabisch „das Tor“, Würdenamen des Stifters der Bábí-Religion, Sayyid ‘Alí-Muḥammad (20. Oktober 1819 – 9. Juli 1850). Die Bahai sehen in ihm zugleich den prophetischen Stifter einer eigenen religiösen Sendung wie den Vorläufer Baha’u’llahs, in dessen Religion die Bábí-Religion später aufging.
Historischer Abriss
Sayyid ‘Alí-Muḥammad wurde am 1. Muharram 1235 d.H. (20. Oktober 1819) im südpersischen Schiras (Shíráz) als Sohn eines Kaufmanns geboren. Sowohl die Familie seines Vaters wie die seiner Mutter führen ihre Abstammungslinie auf den Propheten Muḥammad zurück. Von beiden Seiten entstammt er Kaufmannsfamilien, allerdings waren zwei Vettern seines Vaters herausragende schiitische Geistliche, Mírzá-yi-Shírází (1815-95), der führende Mujtahid seiner Zeit und Ḥájí Sayyid Javád (gest. 1870/71), der Imám Jum‘a (Leiter des Freitagsgebets) in Kirmán. Der Báb hatte keine Geschwister. Sein Vater, Sayyid Muḥammad-Riḍá, starb früh (gegen 1826). Unter der Obhut eines Onkels mütterlicherseits, Ḥájí Mírzá Sayyid ‘Alí, wuchs der Báb bei seiner Mutter, Fáṭima Bagum, auf. Über seine Kindheit und frühe Jugend ist wenig bekannt. Spätere Berichte betonen seine außergewöhnliche Frömmigkeit. Er besuchte die örtliche Koranschule und lernte im Handelsunternehmen der Familie. Seit 1835 arbeitete er in der Hafenstadt Búshir, zuerst im Handelshaus seines Onkels, später dann als selbständiger Kaufmann. Im August 1842 heiratet er Khadíjih Bagum. Aus dieser Verbindung entstammt ein Sohn, Aḥmad, der noch im frühen Kindesalter starb (1843).
1840 unternimmt der Báb eine ausgedehnte Pilgerreise zu den schiitischen Heiligtümern im Irak, wo er sich etwa ein Jahr lang aufhält. In dieser Zeit macht er die Bekanntschaft von Sayyid Káẓim-i-Rashtí, dem damaligen Oberhaupt der Shaykhí, einer religiösen Bewegung mit messianischen Aspekten, der ihm ungewöhnlich hohe Beachtung schenkt. Als Sayyid Káẓim kurz vor seinem Tod (Dezember 1843) seine Schüler in alle Teile Persiens schickt, um den erwarteten Mahdí zu suchen, trifft einer davon, Mullá Ḥusayn aus Bushrúih, in Schiras mit dem Báb zusammen. In der Nacht des 5. Jumádá 1260 (22./23. Mai 1844) verkündet der Báb ihm gegenüber seinen Anspruch, der im Koran Verheißene zu sein. Dieses Ereignis gilt als die Geburtsstunde der Bábí- und Bahá’í-Offenbarung. Noch im Sommer des Jahres 1844 finden 17 weitere Jünger zur Religion des Báb, mit ihm zusammen die neunzehn Buchstaben des Lebendigen. Sie sandte der Báb im Herbst dieses Jahres in die verschiedenen Provinzen Persiens und in den Irak, um dort seinen Anspruch bekannt zu machen. Er selbst trat zusammen mit Quddus, einem weiteren „Buchstaben des Lebendigen“ die Pilgerfahrt nach Mekka an, wo er während seines Aufenthalts (12. Dezember 1844 – 7. Januar 1845) ebenfalls seinen Anspruch verkündete, allerdings ohne große Resonanz. Die Tätigkeit seiner Abgesandten hatte jedoch vor allem in Schiras solche Unruhe verursacht, daß der Báb auf seiner Rückreise dorthin verhaftet wurde.
Der Anspruch des Báb wurde in der schiitischen Öffentlichkeit zunächst als der eines „Tors“ (báb) zum „verborgenen Imam“ verstanden. Eine sorgfältige Analyse selbst seiner frühen Offenbarungsschriften lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass er implizit von Anfang an den sehr viel weitergehenden Anspruch einer eigenständigen prophetischen Mission erhob. Dass dies bereits von zeitgenössischen Theologen gesehen wurde, belegt das Urteil gegen Mullá ‘Alí Bastámí (1845), einem der „Buchstaben des Lebendigen“.
Nach seiner ersten Verhaftung in Schiras (Juli 1845) sollte der Báb zur Widerrufung seiner Ansprüche gezwungen werden, was er formal durch die Erklärung erfüllte, er sei nicht das „Tor“ zum verborgenen Imam. Nach dieser Erklärung wurde der Báb zwar unter Hausarrest gestellt, konnte jedoch schreiben und Besucher empfangen, darunter etwa Sayyid Yaḥyá Dárábí, genannt Vaḥíd, ein bekannter Geistlicher, der ihn im Auftrag des Schah befragen sollte, sich aber unter dem Eindruck der Persönlichkeit des Báb dem neuen Glauben anschloss. Der Báb war jetzt bekannt als das Oberhaupt einer heterodoxen religiösen Bewegung mit rasch wachsender Anhängerschaft. Im September 1846 wurde er erneut verhaftet. Infolge einer Choleraepidemie kollabierten jedoch sämtliche staatlichen Strukturen in der Stadt, so dass der Báb unbehelligt nach Iṣfáhán ausreisen konnte. Dort stellte ihn der Gouverneur, Manúchihr Khán unter seinen persönlichen Schutz. Er beabsichtigte ein Treffen des Báb mit Muḥammad Sháh zu arrangieren und so die offizielle Anerkennung der neuen Religion vorzubereiten.
Der Tod Manúchihr Kháns im Februar 1847 beendete diese Hoffnungen. Zwar scheint Muḥammad Sháh zu dieser Zeit gegenüber dem neuen Glauben aufgeschlossen gewesen zu sein, doch sein Premierminister Ḥájí Mírzá Áqásí sah seine eigene Position durch die wachsende Popularität des Báb gefährdet. Er ordnete dessen Verhaftung an und ließ ihn zunächst in der entlegenen Festung von Mákú in Azerbaiján (Juli 1847 – April 1848), danach in der Festung Chihríq (April 1848 – Juni 1850) inhaftieren.
In dieser Zeit verschärfte sich das Verhältnis zwischen den geistlichen und politischen Führungsschichten Persiens und dem neuen Glauben zusehends. Anfang 1848 erklärte der Báb gegenüber seinen Anhängern, der erwartete Mahdí zu sein. An die Stelle des Koran traten damit die Offenbarungsschriften des Báb. Der Bayán, das zentrale Buch seiner Offenbarung, enthielt die Grundzüge einer neuen Ordnung, die das islamische Gesetz ablösen sollte. In herausfordernden Briefen an den Schah und dessen Premierminister verkündet der Báb seinen göttlichen Auftrag. Im Juli 1848 wurde der Báb in Tabríz, der Provinzhauptstadt Azerbaijáns, vor ein Tribunal gestellt, dem der Kronprinz, der spätere Náṣirid’d-Dín Sháh, vorstand. Dort wiederholte der Báb öffentlich seinen Anspruch, der Mahdí zu sein. Fast zur selben Zeit proklamierte eine Konferenz führender Bábí in Badasht das Ende der Ära des Islam und den Beginn einer neuen religiösen Epoche.
Die bereits vorhandenen sporadischen Spannungen und Übergriffe gegen Bábí entluden sich nach dem Tode Muḥammad Sháhs (September 1848) in Ṭabarsí und 1850 an einigen weiteren Orten in bewaffneten Konflikten. Mírzá Taqí Khán, der neue Premierminister sah deshalb in den Bábí eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die er dadurch zu beenden suchte, indem er ihnen das geistige Zentrum nahm. So ließ er den Báb wieder nach Tabríz bringen und dort am 28 Sha‘bán 1266 (9. Juli 1850) exekutieren. Die Umstände dieser Hinrichtung waren so außergewöhnlich, dass sie selbst in westlichen Medien berichtet wurden: Das erste (christliche) Regiment feuerte seine Gewehre ab, die jedoch den Báb und einen seiner Anhänger, der mit ihm zum Tode verurteilt war, völlig unverletzt ließen. Lediglich die Stricke, mit denen sie gebunden waren, wurden zerfetzt. Erst ein zweites (muslimisches) Regiment führte danach die Exekution durch.
Die sterblichen Überreste des Báb wurden später von einigen Bábí geborgen und über mehrere Jahre an wechselnden Orten verborgen. 1899 konnten sie nach Palästina überführt und 1909 von Abdu’l-Baha in einem eigens dafür errichteten Mausoleum auf dem Berg Karmel in Haifa beigesetzt werden.
Die Schriften des Báb
Der Báb verfaßte zahlreiche Werke, teils von eigener Hand, teils diktierte er sie seinem Sekretär, Sayyid Ḥusayn Yazdí, einem der Buchstaben des Lebendigen. Er selbst gab 1848 an, etwa 500.000 Verse offenbart zu haben (dies entspricht etwa acht Büchern vom Umfang des Koran), von denen etwa ein Fünftel verbreitet worden sei. Die Sprache der Texte ist persisch und arabisch, wobei sich der Báb einer eigentümlichen arabischen Grammatik bedient. Infolge der Verfolgungen der Bábí und durch die erbitterte Azalí–Bahá’í-Kontroverse ging ein Teil dieser Manuskripte verloren oder ist von zweifelhafter Echtheit. Die meisten erhaltenen Manuskripte befinden sich in den Bahá’í-Archiven in Haifa. Das früheste Offenbarungswerk des Báb ist das Qayyúmu’l-Asmá’, der Kommentar zur Sure Josef (Mai/Juni 1844). Zu seinen wichtigsten Werken zählen weiter der Persische Bayán, der kleinere Arabische Bayán, die Dalá’il-i-Sab‘ih („die Sieben Beweise“) und der Kitáb-i-Asmá’ („das Buch der Namen“). Bedeutsam sind auch zahlreiche seiner Briefe, etwa an „Ihn den Gott offenbaren wird“, an die „Buchstaben des Lebendigen“, an Muḥammad Sháh, an Ḥájí Mírzá Áqásí, den Sharíf von Mekka und viele führende Geistliche des Iran. In europäischen Sprachen liegen lediglich der Persische und der Arabische Bayán, die Dalá’il-i-Sab‘ih und eine Auswahl weiterer Texte (darunter auch Auszüge aus dem Qayyúmu’l-Asmá’, dem Kitáb-i-Asmá’ und einer Reihe von Briefen) vor.