Übersetzung

Einleitende Bemerkungen zu Lewis: Translating Hidden Words

Dieser Artikel ist zweifach von Interesse: Franklin D. Lewis, Professor für Sprache und Kultur des Nahen Ostens an der Universität Chicago, stellt Diana Maloufs Unveiling the Hidden Words. The Norms Used by Shoghi Effendi in His Translation of the Hidden Words (George Ronald, Oxford 1997, Bahá’í Studies Vol. II) in dieser Rezension vor. Bereits deswegen lohnt die Lektüre. Lewis verweist weiter auf einige grundsätzliche Fragen zur Intention und sprachlichen Aktualität von Übersetzungen:

Lewis erinnert daran, dass Übersetzungen unterschiedliche Intentionen verfolgen. So hatte Jean Stannards Übersetzung der Hidden Words (1921) nach zunehmenden Zweifeln an der Rechtgläubigkeit der beiden vorherigen Übersetzer, Kheiralla und Fareed, wesentlich die Intention einer theologisch präziseren Widergabe des Texts, einschließlich gelegentlicher Anmerkungen und einem Anhang mit Texterläuterungen durch ‘Abdu’l-Baha. Gleichwohl sind die Hidden Words weder Rechtstext (wie der Aqdas) noch theologisches Traktat (wie vor allem der Íqán). Shoghi Effendis Übersetzung von 1923, die er 1924, 1925, 1929 und 1954 – teilweise unter Mitwirkung von John E. Esslemont, George Townshend und Ethel Rosenberg – überarbeitete, hatte daher einen andern Fokus: Der originale Text Baha’u’llahs sollte in seiner Schönheit und Tiefe im Englischen „wiedererschaffen“ werden, um so dessen geistige und psychologische Wirkung auch in der Übersetzung erfahrbar zu machen. Der englischsprachige Leser sollte so weit als möglich an den Empfindungen beim Lesen des persischen und arabischen Originals teilhaben können. Für einen gläubigen Leser, der mit dem Englisch der King James’ Bibel eng vertraut ist, ist dieses Anliegen meisterlich gelungen. Lewis bezweifelt jedoch, dass dies auch für einen Leser gilt, der diesem kulturellen Milieu fernsteht. Eine Übersetzung, die jedem Leser gerecht wird, kann es nicht geben. Greift man Lewis’ Argument auf, dann zeigt sich, dass bereits mit unterschiedlichen Leserschaften und Anliegen eine Pluralität von Übersetzungen unausweichlich wird.

Bemerkenswert ist auch ein weiterer Hinweis: Sollen Texte der Weltliteratur einem fremdsprachigen Publikum zugänglich bleiben, dann bedarf es in gewissen Abständen einer Neuübersetzung. Auch Sprache unterliegt einem Alterungsprozess – bei sprachlichen Meisterwerken zunächst fast unmerklich, deutlich rascher bei eher durchschnittlichen Übersetzungen. Denn auch Sprachen unterliegen Moden: Was anfangs neu und frisch klang, wirkt mit der Zeit verstaubt, abgegriffen. Begriffe ändern ihre Wertigkeit, ihren Gehalt. Lewis plädiert dafür, diesem Sprachwandel Rechnung zu tragen und auch in gewissen Abständen neue Übersetzungen der Baha’i-Primärtexte vorzulegen.

Brookshaw greift diesen Gedanken positiv auf, warnt jedoch vor einer Nivellierung des Sprachniveaus bei derartigen Überarbeitungen. Negativbeispiel ist ihm die „Good News Bible“ (dt. entsprechend: die „Gute Nachricht Bibel“). Statt dessen setzt er auf Verständnishilfen wie erklärende Fußnoten, gute Indizes und Glossare. Brookshaws Argument greift vor allem, wenn es sich um autorisierte Übersetzungen handelt, um den gemeinsamen sprachlichen Bezugspunkt für die Gemeinde. Beispiele für derartige Publikationen sind: Anspruch und Verkündigung (2007); Edelsteine göttlicher Geheimnisse (2007); Das Tabernakel der Einheit (2012).